Predigt Christi Himmelfahrt, 29.5.2025Der Überall-Gott

Christi Himmelfahrt: 1 Könige 8,22-24.26-28

In zwei Kirchen, die zu meinen Predigtstätten zählen, stehen sogenannte Kanzelaltäre. Unmittelbar über dem Altartisch befindet sich der Predigtstuhl. Keine architektonische Seltenheit in überwiegend protestantisch geprägten Gegenden. Die Besonderheit dieser beiden Altäre, hier, im Vorland des Erzgebirges, besteht darin, dass sie je mit einer Gloriole gekrönt sind. Ein Strahlenkranz, in dessen Mitte der Name Gottes geschrieben steht. In Siebenlehn sieht man die hebräischen Buchstaben des Gottesnamens „Jahwe“. Im benachbarten Reinsberg liest der Betrachter den Namen „Jesus.“

Wer das Gebet Salomons vor dem großen Brandopferaltar am Weihetag des Tempels nur einen Vers weiterverfolgt, hört die inständige Bitte: „Lass deine Augen offen stehen über diesem Hause Nacht und Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name sein.“
Ja, wie der Tempel sind unsere Kirchen und Kapellen Begegnungsstätten mit dem dreieinigen Gott. In seinem Namen versammeln Menschen sich dort, um in besonderer Weise mit ihm in Kontakt zu treten.

Weil aus jedem Ort möglichst alle zusammenkommen sollen, bieten die Kirchen oftmals viel Raum. Wenn ich die Leute zähle, die aus den zwölf Ortschaften meines Zuständigkeitsbereichs im Kirchspiel regelmäßig zum Gottesdienst gehen, passten wir locker in eine der Kirchen hinein. Es müsste nicht mal die Größte unter ihnen sein.
Anders verhält es sich schon, wenn wir uns, wie heute, zum Festtag der Himmelfahrt Christi, unter freiem Himmel zum Gottesdienst verabreden. Das ist immer ein Ereignis. Mit Kind und Kegel, Posaunenklang und Bratwurstduft lesen wir den Namen Gottes in den Wolken, im Himmelsblau, in der Weite des Universums. Oder in den hohen Kastanien, Eichen und Linden, die den herrlichen Weg zum Bergplateau säumen.
Auch ohne Kirchenmauern, sakrales Inventar und dem unverwechselbaren Kirchengeruch haben wir mit Gott Gemeinschaft, da draußen, in mitten seiner wunderbaren Schöpfung. Jedenfalls lassen sich eine Menge Leute dorthin einladen.

In der Szene, die uns die überaus gut besuchte Tempeleinweihung vor Augen führt, preist der König Salomo den Gott Israels als unvergleichlich barmherzig und den Menschen zugewandt. Er steht zu seinem Wort. Den Bund, den er einst mit den Vätern schloss, hält er unverbrüchlich. Genau das unterscheidet den lebendigen Gott und Herrn von allen anderen Gottheiten. Jene wollen besänftigt und hofiert werden. Zahlreiche Kultstätten gab es und gibt es bis heute.
Die erste Weisung allerdings von insgesamt zehn Geboten, auf den Steintafeln verewigt und vormals vom Boten Mose dem Volk zugestellt, diese erste Weisung spricht davon, dass der Mensch keine anderen Götter neben dem einen Gott haben soll. Weil die anderen letztlich unbrauchbar sind. Weil sie Verwirrung stiften. Weil sie weder zu helfen noch zu trösten vermögen. Allein ich will dein Herr und Gott sein sagt der, der Herz und Seele kennt. Der sein Angebot für Halt und Hilfe offenkundig macht: „Einen anderen als mich brauchst du nicht, denn du hast schon alles. Du, mein Menschenkind.“
Sämtliche Gebote sind von dieser Liebe durchsetzt. Der himmlische Vater nimmt seine Fürsorgepflicht für den Menschen ernst. So ist im zehnfach Gebotenen das Grundgesetz Israels manifestiert. Es umfasst die Kernfragen des Lebens.
Die beschriebenen Tafeln befinden sich in der Bundeslade. Diese wiederum steht, samt der langen Tragestangen, im Allerheiligsten des Tempels. Die Stangen dürfen nicht herausgezogen werden. Sie halten die Erinnerung an die Mobilität der Gottesgegenwart wach. Der immobile Tempel ersetzt allerdings jetzt die Stiftshütte. Er soll in seiner Pracht und Größe etwas von der Erhabenheit des Herrn und seinem Glanz spiegeln. Die Beherbergung der Bundeslade macht jedenfalls die Gegenwart Gottes aus. Es wird erzählt, dass eine Wolke das Haus des Herrn erfüllte, sodass die Priester nicht hinzutreten konnten. Die Herrlichkeit Gottes nahm jeden Winkel in Besitz. Auf diese unerklärliche Art und Weise gestaltete sich sein Einzug. Jedoch stellt sich die Frage, die damals bereits in den heiligen Tempelhallen aufbrach, ob Gott in solch ein Haus hineinpasst, damit dieses ewiglich seine Adresse sei oder ob er, hinsichtlich einer Verortung, nicht unfassbar bleibt.

„Der Himmel und aller Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?“(Vers 27) Salomo selbst spricht das Problem an. Auch wir sagen, dass unsere Kirchen besondere Orte der Einkehr sind. Herbergen auf Zeit, Gott zu suchen, zu finden, seinem Namen die Ehre zu geben. Viele werden nach einem Kirchenbesuch, beispielsweise im Urlaub, bestätigen, dass der Raum eine Ausstrahlung hatte. Dass eine verändernde Kraft wirksam wurde. 

Als ich mal mit Vorschulkindern auf eine Kirchenraumentdeckungsreise gegangen bin, wollten sie klipp und klar wissen, wo denn nun der liebe Gott tatsächlich wohnt. Dass Jesus zu Himmelfahrt wieder bei seinem Papa eingezogen ist, wie auf einem Gemälde zu sehen, schien ihnen selbstverständlich zu sein. Die Erklärungsversuche, über die Wohnverhältnisse Gottes Auskunft zu geben, klangen dann teils kurios, waren aber auch feinsinnig.
„Gott wohnt oben im Himmel, aber die Kirche ist sein Ferienhaus“ – sagt ein Junge. Und ein anderer meint: „Der Himmel ist ein einziges großes Haus. Da stecken alle anderen Häuser drin. Auch die mit ganz hohen Türmen.“ Schön fand ich auch das: „Gott ist in der Kirche drin. Wenn wir wieder rausgehen, macht er sich klitzeklein und wohnt in unserem Herz.“ Eine Weisheit, die auf ein frommes Elternhaus schließen lässt. Wir konnten uns einigen, dass Gott überall dort sein Zuhause hat, wo Menschen sich liebhaben und füreinander da sind. Ein Mädchen meinte dazu: „Aber als Omi geweint hat, war Gott nicht da, stimmt´s?“ Ich fragte zurück, warum denn nicht? Da sagt sie sinngemäß, dass doch keiner weinen muss, wenn Gott da ist. Die These ließ sich nicht leicht entkräften. Wir einigten uns schließlich darauf, Gott einen neuen Namen zu geben und nannten ihn den „Überall-Gott“. Weil wir doch an jedem Ort und zu jeder Zeit mit ihm sprechen können.

Salomo einst ist sich der Gebetserhörung sicher. Im Tempel geschehen Herzensöffnungen. Nicht zufällig, sondern nach göttlichem Willen. Und weil sowas bis heute passiert, in Kirchen und anderswo, möchte ich zuletzt weitererzählen, was Manfred Lütz in seinem genialen Buch „Gott – Eine kleine Geschichte des Größten“ aufgeschrieben hat.
Lütz erlebt an einem Karfreitag in einem Opernhaus in Rom die Aufführung von Verdis Requiem. „Mondänes römisches Publikum füllte die Ränge. Das Licht wurde abgedunkelt, und in diesem Moment geschah etwas Merkwürdiges. Über Lautsprecher gab es eine Ansage: ‚Heute ist Karfreitag, der Tag des Todes unseres Herrn Jesus Christus. Der Dirigent, das Orchester und der Chor bitten auf jeglichen Beifall zu verzichten.‘ In ruhigem Ton wurde dieser Text in wohl zehn Sprachen verlesen. Das Requiem erklang, ich war ergriffen.
Und dann war es zu Ende. Stille. Die römische Oper schien den Atem anzuhalten. Niemand rührte sich. Man hatte geradezu ein unbändiges Bedürfnis, die Spannung zu lösen und zu klatschen. Doch man durfte nicht. Alles saß wie gebannt. Keiner stand auf. Der Dirigent verließ ohne auch nur einen Blick ins Publikum sein Pult. Der Chor, das Orchester gingen langsamen Schrittes in tiefem Schweigen von der Bühne. Das Publikum blieb sitzen. Erst langsam erhob sich jemand, dann ein anderer ... Nie mehr sollte ich so etwas erleben ... Ich und wir alle hatten den Eindruck, dass diese herrliche Musik mitten aus der so weltlichen römischen Oper direkt zu Gott aufgestiegen war. Und wir waren dabei gewesen.“
(Manfred Lütz, Gott – Eine kleine Geschichte vom Größten, Pattloch 2007, S. 290f.)
Eine Art Himmelfahrtsereignis war das, so will ich es nennen. Das Opernhaus für 90 Minuten ein Tempel, eine Kathedrale, eine Kirche. Der Name „Jesus“ gegenwärtig, seine Kraft, zu erlösen und das Leben über alles zu stellen. Ein Trost, eine Hoffnung, ein Fundament.

Am heutigen Festtag werde ich abends in die Kirche gehen, zur Gloriole mit dem Gottesnamen darin, aufschauen. Jahwe, das heißt: „Ich bin für dich!“ Deshalb hat er seinen Sohn Mensch werden, leiden und sterben lassen. Damit wir die Chance haben, es heute besser als gestern zu machen.
Denn der Name „Jesus“ steht für Gnade, Liebe und Leben. Er ist eins mit dem Vater. Und vielleicht wird mir dazu geschenkt, dass vom Abendhimmel her ein Sonnenstrahl durchs Fenster fällt und die Namensbotschaft aufleuchten lässt.

Eingangsgebet:
Herr Jesus Christus in deinem Namen sind wir zusammen.
Auf unterschiedlichen Wegen sind wir an diesen Ort gekommen.
Das ist eine Freude, jetzt die Gemeinschaft zu erleben und deinem Wort trauen zu dürfen.
Du sagst uns, dass du hier, in unserer Mitte bist.
Wir blicken zum Kreuz und schauen auf zum Himmel.
Unsere Bitte ist, dass du unsere Gemeinschaft segnest.
Lass deinen Heiligen Geist in uns wohnen und uns deine Gegenwart spüren.
Schenke uns, dass wir mit frohem Herzen deinem Namen die Ehre geben.

Bausteine für die Fürbitten:
Gott des Himmels und der Erden, du bist überall gegenwärtig, wo Menschen dein Wort hören und mit dir sprechen möchten.
Wir danken dir dafür und bitten dich: Öffne den Himmel für alle, die Frieden suchen, Streitigkeiten beenden wollen, Vergebung brauchen. Hilf ihnen dabei!
Wir bitten dich: Öffne den Himmel für alle, die krank sind, deren Körper und Seelen angeschlagen sind, die Schmerzen leiden, denen die Hoffnung fehlt, die Angst haben.
Steh ihnen bei mit deiner Kraft.
Wir bitten dich: Öffne den Himmel für deine Kirche. Lege deinen Namen auf alle Uneinigkeit. Schenke uns Weisheit und Liebe, aufeinander zu hören. Wir wollen der Frohen Botschaft sicher sein und sie leidenschaftlich gern weitersagen. Ermutige uns!
Gott des Himmels und der Erden, lass uns eins sein im Bekenntnis, dass wir mit dem Psalmbeter sprechen: Wie lieb sind mir deine Wohnungen, Herr Zebaoth! Dir sei Ehre allezeit!

Psalmvorschlag: Psalm 47,2-10
Evangelium: Lukas 24,50-53
Lesung: Apostelgeschichte 1,3-11
Liedvorschläge:
EG 62,2.3.5 (Jesus soll die Losung sein)
EG 379,1.2.4.5 (Gott wohnt in einem Lichte)
EG 166,1-3 (Tut mir auf die schöne Pforte)
EG 123 (Jesus Christus herrscht als König)
EG 121,1.4 (Wir danken dir, Herr Jesu Christ)

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